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Sie standen im Halbkreis um das Mädchen und starrten es an. Eigentlich starrten sie es nicht direkt an, sondern fixierten mehr aus den Augenwinkeln heraus einen Ausschnitt des Bildes, das sich ihnen bot. Jeder von ihnen ließ seinen Blick auf einem anderen Detail ruhen; auf dem nackten Unterschenkel, der Schmutzflecke und einen Bluterguss aufwies, der Fuß war grotesk nach innen verdreht; auf die halb entblößte weiße Brust, die nur hastig und unzureichend von den weißen Spitzen ihrer Bluse bedeckt wurde, ein eiliges Provisorium; auf die Hand, deren Innenseite nach oben zeigte, die Finger leicht angewinkelt, als wollte das Mädchen eine Schale formen.
Keiner sah in ihr Gesicht. Sie nahmen die Risse in der Bluse und dem Rock wahr, die Abschürfung auf dem einen Oberarm, die Druckstellen auf dem anderen. Sie bemerkten das Goldkettchen am rechten Armgelenk, der Anhänger war abgerissen, das Verbindungsglied aufgebogen. Sie registrierten die knallig rot lackierten Fingernägel und die Kratzer auf dem Bauch, wo die Bluse aus dem Rock geschoben war. Doch ihr ins Antlitz zu sehen wagte keiner, jeder vermied es, den Blick höher als bis zu den Schultern wandern zu lassen. Sie alle kannten das schöne Gesicht, die hohen Wangenknochen, die schmale gerade Nase; sie wussten um ihre vollen Lippen, die sich jetzt blutleer und ein wenig geöffnet darboten, um ihre makellose Haut, die nun mit roten und blauen Flecken übersät war. Sie hatten das herzförmige Gesicht oft bewundert, eingerahmt von halblangen dunkelbraunen Haarbüscheln, die sich in dichten Wellen um ihren Kopf legten. Das feucht glänzende, von gestocktem Blut verklebte Haar über der Stirn wollten sie nicht sehen, auch nicht die blutige Strähne, die sich an der Schläfe entlang zum Hals zog. Einer scharrte mit der Fußspitze auf dem schmutzigen Holzboden.
"Sie ist selber schuld ...
Die Stimme verlor sich in heiserem Krächzen.
Er schob ein metallenes Feuerzeug zu ihr hin und zuckte sofort zurück, als er mit dem Schuh ihre Hand berührte. Die anderen schwiegen und starrten weiter an dem Mädchen vorbei. Es mochte etwa fünfzehn Jahre alt sein, vielleicht noch jünger. Jedenfalls wirkte die Gestalt sehr kindlich, wie sie da saß, auf dem schmutzigen Boden, den Oberkörper schräg an das ungemachte Bett gelehnt, die Augen geschlossen, als hätte sie mitten in einem Spiel der Schlaf übermannt. Nur die leeren Wein- und Schnapsflaschen ringsum passten nicht ins Bild.
Einer zündete sich mit bebenden Fingern eine Zigarette an. Das brennende Streichholz fiel zu Boden, der Mann trat es nicht aus. Die Flamme züngelte das Hölzchen entlang und war schon am Ende angelangt, es würde jeden Moment verlöschen. Da fand das Flämmchen neue Nahrung. Ein Stück Stoff färbte sich braun, als die Flamme danach leckte, Holzspäne, Papier- und Stofffetzen hielten das Feuer am Leben.
Keiner rührte sich. Alle starrten gebannt auf die Flamme, die sich Zentimeter für Zentimeter weiterfraß, zielstrebig, lautlos.
"Das ... wär' doch ... das Beste ..."
Sie sahen sich entsetzt an. Keiner war zu einer Bewegung fähig, bis der Jüngere seine zu Boden gefallene Zigarettenschachtel mit dem Fuß hinter den Körper des Mädchens schob und rief: "Raus hier!"
Sie wandten sich zur Tür und stürzten fast hinaus.
"Nein! Wir können doch nicht -"
"Halt's Maul! Es ist zu spät!"
"Mein Gott!"
Sie rannten zum Wagen, der mit laufendem Motor wartete und schlugen die Türen zu. Das Motorengeräusch wurde leiser, bis es zwischen den Bäumen verklang.